Microsoft will keine Konten wegen US-Sanktionen mehr sperren

Weltstrafgericht - Chefankläger Karim Khan
© Peter Dejong/AP/dpa

Digitale Souveränität

Düsseldorf/Redmond (dpa) - Der Softwarekonzern Microsoft will einem Medienbericht zufolge bei der Umsetzung von US-Sanktionen künftig selbst keine Kontosperrungen mehr vornehmen. Das berichtet die «Wirtschaftswoche» und beruft sich dabei auf Unternehmenskreise. Der Konzern reagierte zunächst nicht auf den Bericht.

Microsoft war in den vergangenen Wochen wegen der Blockade des E-Mail-Kontos des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, zunehmend in die Schusslinie geraten. US-Präsident Donald Trump hatte das Den Haager Gericht im Februar sanktioniert, nachdem ein Gremium von IStGH-Richtern im November Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und seinen früheren Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen Kriegsverbrechen im Gazastreifen erlassen hatte.

Durch die Sanktionen ist die Arbeit des Gerichts gefährdet. Die USA und Israel erkennen das Gericht nicht an. Khan hatte zuletzt sein Amt im Zusammenhang mit einer Untersuchung über mutmaßliche sexuelle Übergriffe vorübergehend niedergelegt.

Juristische Neubewertung

Der Kurswechsel von Microsoft ist dem «Wiwo»-Bericht zufolge das Ergebnis einer soeben abgeschlossenen juristischen Neubewertung, wie das Unternehmen mit Abschaltanordnungen des US-Präsidenten umzugehen habe. Nun habe man ein Verfahren gefunden, wie der Konzern ähnlichen Anordnungen in Zukunft juristisch zwar entsprechen könnte, trotzdem aber keine Kundenkonten stilllegen müsse. 

Zu den Details äußert sich Microsoft nicht, ein Unternehmenssprecher bestätigte aber der «Wirtschaftswoche», diese juristische Bewertung der Lage dem IStGH übermittelt zu haben. «Wir werden weiterhin eng mit dem IStGH zusammenarbeiten», zitiert das Magazin den Sprecher.

Dem Vernehmen nach beruft sich der Konzern darauf, er stelle seine Dienste nicht einzelnen Personen zur Verfügung, sondern liefere nur die technische Plattform, mit deren Hilfe die Kunden ihrerseits eigenen Mitarbeitern oder Dritten digitale Dienste anbieten. 

In künftigen, vergleichbaren Fällen würde Microsoft selbst – anders als im Februar geschehen – nicht mehr eingreifen. Die Entscheidung darüber, ob ein Unternehmen oder ein staatlicher Nutzer von IT-Diensten oder Cloud-Angeboten des US-Konzerns ein einzelnes Nutzerkonto deaktiviere, liege dann beim Kunden.

Kritik am «Hilfssheriff Microsoft»

Kritiker von Microsoft hatten dem US-Konzern «Hilfssheriffdienste» vorgeworfen. Der Vorstandsvorsitzende der Open Source Business Alliance (OSBA), Peter Ganten sagte, die von Microsoft mit umgesetzten Sanktionen gegen den Strafgerichtshof müssten «ein Weckruf für alle sein, die für die sichere Verfügbarkeit staatlicher und privater IT- und Kommunikationsinfrastrukturen verantwortlich sind». Das Vorgehen von Microsoft war aber auch von etlichen Kunden aus der Wirtschaft und Behörden stark kritisiert worden.

© dpa-infocom, dpa:250604-930-628897/1

Weitere Meldungen