Der Tiger kippt nicht um - Tom Jones wird 85

Tom Jones wird 85 - Der Tiger kippt nicht um
© Andrew Parsons/Sunday Times/PA Wire/dpa

«It's Not Unusual»

London (dpa) - James Bond hätte Tom Jones fast geschafft. Bei der Aufnahme des 007-Titelsongs «Thunderball» kam der Sänger 1965 an seine Grenzen. «Ich bin fast ohnmächtig geworden», erzählt Jones im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London. Der Sänger stand damals mit einem Live-Orchester im Studio und hatte vergessen, vor dem wuchtigen Finale des Songs einzuatmen.

«Ich hab richtig kämpfen müssen», erinnert er sich später. «Ich hab mich an der Scheibe der Kabine festgehalten, Augen zu, den Ton gehalten – und als ich die Augen wieder aufgemacht habe, musste ich mich an der Wand abstützen, damit ich nicht umkippe.»

Tom Jones blieb standfest. 60 Jahre später steht er immer noch auf der Bühne und beeindruckt sein Publikum mit seiner Stimmgewalt. Im Sommer kommt der britische Ausnahmesänger, der heute 85 Jahre alt wird, für mehrere Konzerte nach Deutschland. Los geht es am 16. Juni in Stuttgart. Es folgen Auftritte in Baden-Baden, Berlin, Wolfsburg und Bremen. 

Kein Ausruhen auf alten Erfolgen

«Als ich mir Ausschnitte von früher ansah, die Zeiten, die Orte, die Stilrichtungen und die Krisen, da ist mir klar geworden, was für ein Glück ich habe», sagte Jones kürzlich im BBC-Interview. Im Herbst seiner Karriere genießt der gebürtige Waliser breite Anerkennung und wird von Fans und Kritikern gleichermaßen geschätzt.

Während andere Sänger seiner Generation immer wieder mit demselben Greatest-Hits-Programm auftreten, will sich Tom Jones nicht auf alten Erfolgen ausruhen. Er präsentiert – neben alten Klassikern wie «It's Not Unusual», «Delilah» oder «What's New Pussycat» – immer wieder andere Songs.

Sein bislang letztes Album «Surrounded By Time» erschien 2021. Es ist eine spannende Mischung aus Art-Rock, Folk und Elektro-Pop. Es besteht aus Coverversionen bekannter und weniger bekannter Songs wie Michel Legrands «The Windmills of Your Mind» oder Michael Kiwanukas «I Won't Lie», die sich Jones in völlig neuem Sound zu eigen gemacht hat. «Ich will das Beste aus jeder Sekunde machen, die mir noch bleibt», sagte er damals im dpa-Interview zum Album.

Ein Arbeitersohn wird zum Weltstar

Berühmt wird der Arbeitersohn aus Pontypridd in den 1960er Jahren als grandioser Sänger und Entertainer - und als Sexsymbol. Bei seinen schweißtreibenden, mitreißenden Bühnenshows trägt er enge Hosen und das Hemd weit aufgeknöpft, damit die behaarte Brust zu sehen ist. Er bekommt den Spitznamen «Tiger». Weibliche Fans werfen ihm damals regelmäßig ihre Unterwäsche auf die Bühne. Gelegentlich passiert das bei seinen Shows auch noch heute, allerdings eher als Scherz.

Im Fernsehen moderierte er seine eigene Show: «This is Tom Jones». Er singt mit so unterschiedlichen Stars wie Cher, Stevie Wonder, Janis Joplin oder Crosby, Stills, Nash & Young - und erweist sich als Meister aller Gesangsklassen. Noch heute postet Tom Jones auf seinen Social-Media-Kanälen regelmäßig Ausschnitte aus der Show und erntet dafür begeisterte Kommentare unter den Videos.

Mehrfach wurde Tom Jones abgeschrieben

Wenn er heute von Krisen spricht, dann meint Tom Jones die Zeiten, in denen es aussah, als wäre seine Karriere am Ende. Etwa Anfang der 70er Jahre, als mehrere seiner Alben floppen und seine Songs nicht mehr im Radio laufen. Er gilt als einer von gestern. Das macht dem Vollblut-Performer schwer zu schaffen.

Doch schon als Kind hat er gelernt, nicht aufzugeben. Also spielt er unermüdlich Konzerte in kleineren Städten und kleineren Sälen. Und er tritt regelmäßig in Las Vegas auf, wo er sich mit Elvis Presley anfreundet. Damals gilt die Spielermetropole – ganz im Gegensatz zu heute – als Endstation für Sänger. «Ich wurde zu einem Nachtclub-Entertainer», resümiert er später.

Der «Tiger» erfindet sich neu

Ende der 80er Jahre schafft er ein berufliches Comeback, als er sich musikalisch neu erfindet. Mit den Soundtüftlern von Art Of Noise nimmt er den Song «Kiss» von Prince neu auf. Das Musikvideo läuft auf MTV, der «Tiger» Jones gilt plötzlich wieder als angesagt.

1994 veröffentlicht er das Album «The Lead And How to Swing It» mit Einflüssen von Pop, Rock, Funk und Dance - und der Hitsingle «If I Only Knew», die er auch auf seiner aktuellen Tournee zum Besten gibt.

Auf dem Duett-Album «Reload» covert er 1999 mit angesagten Künstlern wie Robbie Williams, den Stereophonics und den Cardigans wieder eine Mischung aus bekannten und nicht so bekannten älteren Songs. «Mama Told Me Not To Come» und «Burning Down The House» werden Hits - genauso wie «Sex Bomb», das ihm der hannoversche Produzent Mousse T. auf den Leib schreibt und das ein Meilenstein seiner Karriere wird.

Ein weiterer musikalischer Geniestreich – und eine Art Neuerfindung – gelingt Jones mit der Album-Trilogie «Praise & Blame» (2010), «Spirit In The Room» (2012) und «Long Lost Suitcase» (2015), auf der er alte Gospel-, Soul- und Blues-Nummern interpretiert. Seine Version von John Lee Hookers «Burning Hell» ist ein echter Kracher.

Jüngeres Publikum kennt ihn als Fernseh-Juror

Seine umfangreichen musikalischen Erfahrungen hat Sir Tom, der 2006 von Queen Elizabeth II. zum Ritter geschlagen wurde, in seiner unterhaltsamen Autobiografie «Over The Top And Back» aufgeschrieben. Und er gibt sie in der TV-Sendung «The Voice UK» an jüngere Künstler weiter.

Seit 2012 sitzt er, bis auf eine kurze Unterbrechung, in der Jury der Show und überrascht seine Co-Stars und das Publikum regelmäßig mit wuchtigen Gesangseinlagen. Das bescherte ihm viele neue und jüngere Fans, wie man bei seinen Konzerten feststellt.

Den legendären James-Bond-Titelsong «Thunderball» hat Tom Jones übrigens seit fast zehn Jahren nicht mehr live gesungen. Vielleicht ist das Risiko zu groß, dass der «Tiger» auf seine alten Tage bei dem anstrengenden letzten Ton doch noch umkippt. Man würde ihm allerdings zutrauen, dass er es immer noch schafft.

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Tom Jones wird 85 - Der Tiger kippt nicht um
Sir Tom Jones trat beim 92. Geburtstag für Queen Elizabeth II. auf, die ihn 2006 zum Ritter geschlagen hatte.© Andrew Parsons/Sunday Times/PA Wire/dpa
Sir Tom Jones trat beim 92. Geburtstag für Queen Elizabeth II. auf, die ihn 2006 zum Ritter geschlagen hatte.
© Andrew Parsons/Sunday Times/PA Wire/dpa
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Mit Elvis Presley und dessen Frau Priscilla verband Tom Jones eine Freundschaft.© UPI/dpa
Mit Elvis Presley und dessen Frau Priscilla verband Tom Jones eine Freundschaft.
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