Deutsche Juden im Visier? Mutmaßlicher Iran-Spion gefasst

Mann mit Kippa
© Christophe Gateau/dpa

Bundesanwaltschaft

Karlsruhe/Berlin (dpa) - Im Auftrag eines iranischen Geheimdienstes soll ein Däne in Berlin jüdische Menschen und Einrichtungen sowie Objekte mit Bezug zu Israel ausgespäht haben. Nach Einschätzung der Bundesanwaltschaft sollten auf diese Weise möglicherweise auch Anschläge vorbereitet werden. Die obersten deutschen Strafverfolger ließen den 53-jährigen Mann, der afghanische Wurzeln hat, vergangene Woche im dänischen Aarhus festnehmen. 

Der Mann habe Anfang des Jahres von einem iranischen Geheimdienst den Auftrag erhalten, in Berlin Informationen über jüdische Orte und bestimmte jüdische Personen zu sammeln, teilt die Bundesanwaltschaft mit. Im Juni habe er dazu in der Hauptstadt drei Objekte ausgespäht. Die Sicherheitsbehörden hatten ihn zu diesem Zeitpunkt allerdings wohl schon auf dem Radar.

Irans Botschafter ins Auswärtige Amt einbestellt

Den Auftrag sollen die sogenannten Al-Kuds-Brigaden erteilt haben - die Auslandseinheit der einflussreichen Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht. Zu ihren Aufgaben gehören verdeckte Geheimdienstoperationen im Ausland. Nach Informationen des «Spiegels» soll der Beschuldigte unter anderem vom Sitz der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Fotos gemacht haben.

Der Iran wies die Spionage-Vorwürfe entschieden zurück. Die iranische Botschaft in Berlin sprach von «unbegründeten und gefährlichen Behauptungen», wie die regierungsnahe Nachrichtenagentur Isna berichtete. Die Vorwürfe seien Teil einer Kampagne, um von Israels Krieg gegen den Iran abzulenken. Aus dem deutschen Außenministerium hieß wiederum es, der iranische Botschafter sei ins Auswärtige Amt einbestellt worden.

Überstellung nach Deutschland geplant

Der dänische Inlandsnachrichtendienst PET bestätigte die Festnahme eines 53-Jährigen im Raum Aarhus. Er warnte zudem davor, dass der Iran immer wieder kriminelle Netzwerke, Mittelsmänner und Einzelpersonen benutze, um Angriffe in Europa vorzubereiten oder zu verüben. Es sei wohlbekannt, dass der Iran Geheimdienstaktivitäten gegen Kritiker der iranischen Führung im europäischen Ausland durchführe, auch in Dänemark. Im Laufe der vergangenen Jahre habe Teheran den Fokus aber zunehmend auch auf andere Ziele in Europa gerichtet, etwa gegen israelische oder jüdische Ziele.

Der Beschuldigte soll nun nach Deutschland überstellt und in Karlsruhe dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, der über die Untersuchungshaft entscheidet. Das Verfahren geht laut Bundesanwaltschaft auf Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz zurück. Das Bundeskriminalamt führe die polizeilichen Ermittlungen.

Schutz für jüdische Einrichtungen bereits verstärkt

Israel hatte am 13. Juni den Iran angegriffen und landesweit Ziele bombardiert. Als Begründung führte die Regierung die Bedrohung durch Irans umstrittenes Atomprogramm an - Israel befürchtet, die Islamische Republik könnte eine Atombombe bauen. Der Iran bestreitet dies und reagierte mit Raketen- und Drohnenangriffen. Inzwischen gilt eine Waffenruhe.

Die Innenministerien von Bund und Ländern hatten nach Beginn des israelischen Angriffs die Maßnahmen zum Schutz israelischer und jüdischer Einrichtungen noch einmal verstärkt. «Wenn sich dieser Verdacht bestätigt, dann haben wir es mit einem ungeheuerlichen Vorgang zu tun», sagte Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD). «Wir haben die Verantwortung, unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zur Seite zu stehen – gegen Bedrohungen von innen und von außen.»

Der erste Hinweis auf den Dänen, der im Auftrag eines iranischen Geheimdienstes in Berlin jüdische Menschen und Einrichtungen ausgespäht haben soll, kam laut Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) von einem befreundeten Nachrichtendienst aus dem Ausland. 

Der Festgenommene stehe im Verdacht, Vorbereitungen für Brandanschläge getroffen zu haben. Unter anderem soll er versucht haben, Menschen anzuheuern, die diese Anschläge ausführen. 

Nach Informationen der «Bild» kam der entscheidende Hinweis auf die Aktivitäten vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad. Dobrindt sprach von mehreren ausländischen Diensten, mit denen man in dieser Angelegenheit kooperiert habe. Eine mit dem Thema vertraute Quelle bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass der Mossad beteiligt war.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, erklärte: «Diese geglückte Abwehr muss ein letztes Signal an all diejenigen sein, die den Hass und die Vernichtungsfantasien des Mullah-Regimes gegen Israel und Juden in aller Welt immer noch kleinreden». Die Bundesregierung müsse «aktiv politisch gegen das iranische Regime vorgehen - eine andere Konsequenz für diesen mutmaßlich geplanten Terrorangriff kann es nicht geben.»

Die «abstrakt Bedrohungslage» in Deutschland steige durch den Konflikt im Nahen Osten, sagte Dobrindt. Deutsche Sicherheitsbehörden hätten daher, um mögliche Gewalttaten zu verhindern, mehrere Personen seit einiger Zeit «unter Beobachtung».

Ermittlungen zu weiteren Anschlagsplänen

Es ist nicht das erste Mal, dass die Bundesanwaltschaft wegen mutmaßlich geplanter Anschläge auf jüdische und israelische Einrichtungen eingreift. Im Oktober hatte die Behörde in Bernau bei Berlin einen Libyer festnehmen lassen, der nach damaligen Erkenntnissen mit Schusswaffen die israelische Botschaft angreifen wollte. Drei Monate später wurde er allerdings aus der Untersuchungshaft entlassen, weil sich der dringende Tatverdacht nicht aufrechterhalten ließ.

Im Februar wurde dann am Flughafen Berlin-Brandenburg ein Russe gefasst, der nach dpa-Informationen mutmaßlich ebenfalls einen Anschlag auf die israelische Botschaft plante. Die Bundesanwaltschaft übernahm den Fall später von der Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg. Sie wirft dem Verdächtigen unter anderem die Unterstützung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vor. 

Außerdem ermittelt die oberste deutsche Anklagebehörde wegen eines Angriffs am Holocaust-Mahnmal in Berlin. Ein syrischer Mann soll dort im Februar mit einem Messer auf einen spanischen Touristen eingestochen und ihn dabei lebensgefährlich verletzt haben. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, «aus einer radikal-islamistischen und antisemitischen Überzeugung heraus» gehandelt zu haben.

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Solidaritätskundgebung für Israel auf dem Pariser Platz
Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ist seit 2022 der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck. (Archivfoto)© Annette Riedl/dpa
Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ist seit 2022 der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck. (Archivfoto)
© Annette Riedl/dpa
Zentralrat der Juden
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, fordert, die Bundesregierung müsse «aktiv politisch gegen das iranische Regime vorgehen». (Archivfoto)© Boris Roessler/dpa
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, fordert, die Bundesregierung müsse «aktiv politisch gegen das iranische Regime vorgehen». (Archivfoto)
© Boris Roessler/dpa

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